Radikale Akzeptanz

von Manfred Rosen, Zen-Meister und spiritueller Wegbegleiter in der Nachfolge von Willigis Jäger, Zen-Meister der Zen-Linie „Leere Wolke“

Radikale Akzeptanz als Haltung,
das hat uns Willigis Jäger sein ganzes Leben lang gelehrt.

Es bedeutet:
Offen und ehrlich Ja zu sagen zu dem, was ist. Es ist ein aktives Annehmen, Einwilligen und Einverstanden sein. Radikal heißt vollkommen, von unserem wahren Wesen aus, vollständig.

Gerade jetzt, wo viele von uns mit den aktuellen politischen Entscheidungen zur Bewältigung der Pandemie ringen, sind wir dazu aufgerufen. Es ist notwendig, die Entscheidungen zu akzeptieren, wir dürfen aber Alternativen diskutieren und sollten auch andere und abweichende Meinungen respektieren und uns nicht polarisieren lassen.

Um im Prozess unseres Lebens und unserer spirituellen Entwicklung voranzuschreiten, ist radikale Akzeptanz eine der notwendigen Entscheidungen, die wir immer wieder treffen müssen. Mit der Entscheidung alleine ist es nicht getan, es ist nicht nur ein Willensakt, sondern ein stetiges Üben im Alltag.

Die Pandemie fordert von uns abermals erhebliche Einschränkungen in der Gestaltung unseres privaten und öffentlichen Lebens, auch der Benediktushof muss erneut schließen. Gerade erst war er wieder von vielen als ein Ort des Innehaltens und der Besinnung genutzt worden. Viele Menschen kamen an den Hof, um hier neue Kraft zu schöpfen und um Ideen zu entwickeln, den vielfältigen Herausforderungen in diesen Zeiten zu begegnen.

Nun müssen wir uns diesbezüglich wieder auf Online-Angebote und unsere eigenen Ressourcen beschränken. In der eigenen spirituellen Praxis – gleich ob Kontemplation oder Zen, lassen sich alle grundsätzlichen Antworten finden. Damit diese Relevanz für unseren Alltag und unser Verhalten erlangen, brauchen sie jedoch den Dialog mit unseren modernen Wissenschaften, um zu tragfähigen konkreten Strategien führen zu können.

Wir wissen, dass wir unseren Lebensstil verändern müssen. Die Pandemie ist nur ein Symptom unserer bisherigen Lebensweise. Auch wenn wir wirksame Impfstoffe entwickelt haben, können wir nicht zur gewohnten Lebensweise zurückkehren.

Radikale Akzeptanz heißt eben nicht gleichgültig zu werden, alles gutzuheißen und nichts mehr verändern zu wollen. Im Gegenteil, wir sind dazu aufgerufen, immer wieder auch von unseren Kissen aufzustehen und zu tun, was zu tun ist.

Radikale Akzeptanz alleine ist aber nicht vollständig. Zu ihr gehört das Loslassen, um daraus eine vollkommene Handlung zu machen. Es ist der tiefen Weisheit und Erkenntnis geschuldet, dass es überhaupt nichts gibt, was ich wirklich ernst nehmen könnte, vor allem nicht mich selbst. Habe ich das geklärt, kann ich auch immer wieder lachen. Und dennoch das tun, was notwendig ist, um Menschen und die ganze Schöpfung von ihrem Leid zu befreien. Die Achtung vor dem Leben und ein sich entwickelndes Mitgefühl sind dabei unerlässlich.

Radikale Akzeptanz und Loslassen als geistige Handlung korrespondieren mit unserem körperlichen Prozess des Atmens. In jedem Einatmen nehmen wir an – uns selbst und die Welt. Wenn wir unseren Einatem nicht voll kommen lassen, schneiden wir uns ab von dem Leben, das wir sind. Das, was wir immer wieder neu sind, in jedem Augenblick. In jedem Ausatem lassen wir los, halten nichts mehr fest, lassen des Leben fließen, so, wie es fließt. Wenn wir unseren Ausatem nicht vollkommen lassen, engen wir uns ein und beschränken das Leben, das sich gerade als die Form lebt, die wir sind.

Auf unserem Übungsweg lernen wir, uns diesem Prozess anzuvertrauen. Allein, um uns selbst anzunehmen, brauchen wir oft eine lange Zeit. Aber wenn wir kein Mitgefühl für uns selbst entwickeln, können wir es auch nicht für die anderen. Wenn wir erfahren, wer wir selbst wirklich sind, gibt es nur noch ein Mitgefühl. 

Einatmen und Ausatmen sind nicht voneinander zu trennen, sondern sind ein Prozess.
Radikale Akzeptanz und Loslassen gehören ebenso zusammen und sind ein Prozess.

Ein anderes Wort dafür ist Liebe. Liebe, die alles umfängt und nichts ausschließt, die nichts festhält und dennoch alles in sich aufnimmt. Liebe, die sich ausdrückt als der Augenblick gerade jetzt.

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