Spiritualität und wirtschaftliches Handeln

Wie lässt sich ein Ort gestalten, an dem Stille, Praxis und zeitgemäße Spiritualität auf unternehmerisches Handeln treffen? Die spirituelle Leitung des Benediktushofs und Zen-Meisterin Doris Zölls teilen Gedanken über Verantwortung, innere Ausrichtung und die lebendige Weiterentwicklung dieses besonderen Ortes. Ein Blick hinter die Kulissen.

Alexander, Du hast in verschiedenen Unternehmen in Leitungspositionen gearbeitet.
Worin liegt das Besondere in der Organisationsstruktur des Benediktushofs?

Alexander Poraj: Der Benediktushof ist in mehrfacher Hinsicht eine besondere Einrichtung. Zum einen bietet er ein umfangreiches spirituelles Programm, das verschiedene kulturelle und religiöse Traditionen miteinander verbindet. Zum anderen ist er als GmbH organisiert und damit fest im wirtschaftlichen Alltag unserer Gesellschaft verankert – auch durch die bewusste Verantwortung, den laufenden Betrieb durch eigenes, redliches wirtschaftliches Handeln zu sichern.

Während spirituelle Zentren dieser Art traditionell in Klöstern oder ähnlichen Gemeinschaften angesiedelt sind – oft getragen von Spenden und von Ordensangehörigen mit einer vom Weltlichen weitgehend abgewandten Lebensweise geführt – geht der Benediktushof einen anderen Weg: Er verbindet spirituelle Praxis mit unternehmerischem Handeln.

Zen-Meister Dr. theol. Alexander Poraj ist Mitglied der spirituellen Leitung am Benediktushof

Geleitet wird der Hof von einer Geschäftsführung, die die rechtliche und wirtschaftliche Verantwortung trägt. Dazu gehört die Organisation und der Erhalt des gesamten Betriebs mit rund 100 Mitarbeitenden, 180 Gästebetten, mehreren Läden sowie einem Bistro.

Ergänzt wird diese betriebliche Leitung durch die sogenannte Spirituelle Leitung. Ihre Aufgabe ist es, die inhaltliche Ausrichtung des Hauses mitzugestalten, durch ihre Präsenz vor Ort Impulse zu geben und den Gästen auf ihrem persönlichen Weg unterstützend zur Seite zu stehen – insbesondere durch die Gestaltung und Leitung von Kursen.

Diese beiden Verantwortungsbereiche – wirtschaftliche Führung und spirituelle Begleitung – greifen ineinander. Gemeinsam bilden sie die tragende Struktur des Benediktushofs und machen ihn zu einem Ort, an dem spirituelle Tiefe und gelebte Alltagspraxis auf besondere Weise verbunden sind.

Dr. theol. Alexander Poraj ist  Zen-Meister der Linie Leere Wolke West-Östliche Zen-Schule® und Mitglied der spirituellen Leitung am Benediktushof.

Doris Zölls ist Zen-Meisterin und gibt seit vielen Jahren auch am Benediktushof Zen-Sesshins

Viele Mitglieder der Gründergeneration des Benediktushofs sind in den letzten Jahren in Pension gegangen oder haben eine neue Aufgabe übernommen. Doris, kannst Du kurz erklären, in welcher Funktion Du derzeit dem Hof verbunden bist?

Doris Zölls: Auch ich habe einige Aufgaben auf Grund von Alter und auch aus gesundheitlichen Gründen abgegeben, wie die spirituelle Leitung des Hofes, die Leitung der Zen- Linie Leere Wolke und damit meinen Sitz im Präsidium der West-Östlichen Weisheit Willigis Jäger Stiftung. Mit der Begleitung von Menschen auf dem Zen-Weg, dem Schreiben von Büchern und meinen Aufgaben als Großmutter in meiner Großfamilie kann ich weitergeben, was mir wichtig erscheint.

Dazu bin bereits seit Gertraud Grubers Tod im Kuratorium der Gruber Stiftung engagiert, in dem ich mit zwei anderen Frauen über die Förderungen gemeinnütziger Projekte für Kinder, alte Menschen und Tiere entscheide.

Dem Benediktushof bin ich jedoch weiterhin als Kursleiterin und auch im Beirat verbunden. Der Benediktushof ist eine GmbH mit zwei Gesellschaftern (Gruber Stiftung und West-Östliche Weisheit), die sich mit einem Beirat, in dem Dirk Ahlhaus und ich von Anbeginn an sind, zweimal im Jahr treffen. In diesem Gremium beraten sich die Gesellschafter in enger Abstimmung mit der Geschäftsführung zu allen relevanten Geschäftsbereichen am Benediktushof.

Was uns eint, ist der Wunsch, den Benediktushof in eine gute Zukunft zu führen und als spirituellen Ort für seine vielen Gäste zu erhalten und weiter zu entwickeln. Ich bringe mich mit meiner Erfahrung und Verbundenheit zum Benediktushof hier gerne ein. Trotzdem hat auch mein Tag  nur 24 Stunden und ich haushalte mit meinen inzwischen 71 Jahren gut mit meinen Kräften. Ich kann also nicht mehr alles leisten, was ich vielleicht gerne tun würde, und bin froh, dass ich mich auf diese Weise weiterhin einbringen kann.

Doris Zölls ist Zen-Meisterin (ernannt von Willigis Jäger), Mitglied der Linie Leere Wolke West-Östliche Zen-Schule® und Mitglied des Beirats des Benediktushofes.

Fernand, der Benediktushof befindet sich mit der Suche nach einem neuen Geschäftsführer*in in einer Wechselphase. Was wünscht Du Dir als Mitglied der spirituellen Leitung für die Zukunft des Hofs?

Fernand Braun: In dieser Übergangszeit ist mir besonders wichtig, dass wir als Gemeinschaft weiterhin achtsam und im Sinne des Ganzen handeln – getragen von Vertrauen, Klarheit und dem Bewusstsein für die spirituelle Ausrichtung, die den Benediktushof prägt.

Für die Zusammenarbeit mit der neuen Geschäftsführung wünsche ich mir weiterhin Offenheit, Menschlichkeit und gegenseitigen Respekt. Ein echtes Miteinander, das vom gemeinsamen Verständnis für die besondere Aufgabe dieses Ortes lebt.

Im Zentrum steht für mich der geistige Kern des Hofes: Stille, Tiefe und Offenheit für verschiedene spirituelle Wege.

Fernand Braun, Kontemplations-Lehrer "Wolke des Nichtwissens" und Mitglied der spirituellen Leitung am Benediktushof

Ich hoffe, dass dieser Raum bewahrt bleibt – ein Ort jenseits von Lärm und Dogma, an dem Menschen sich selbst begegnen können. Dabei sehe ich es als unsere Aufgabe als spirituelle Leitung, sowohl die Wurzeln – wie Zen- und kontemplative Praxis – zu pflegen, als auch neue, zeitgemäße Ausdrucksformen zu ermöglichen.

Der Benediktushof ist für mich ein lebendiger Organismus, der sich weiterentwickeln darf, ohne sich selbst zu verlieren. Themen wie Sinnsuche, seelische Gesundheit und spirituelle Orientierung sind für viele Menschen zentral. Ich freue mich, dass wir diese Fragen aufgreifen – in bewährter Tiefe und vielleicht auch in neuen Formaten.

Fernand Braun ist Kontemplationslehrer der Linie „Wolke des Nichtwissens“ (Willigis Jäger) und Mitglied der spirituellen Leitung am Benediktushof. 

Maria Kolek Braun, Kontemplation-Lehrerin "Wolke des NIchtwissens" und Mitglied der spirituellen Leitung am Benediktushof

Maria, Durch Eure Präsenz am Hof erfahrt Ihr viel über die Wünsche, Erwartungen und auch Sorgen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Welche Themen beschäftigen die Menschen im Hinblick auf die zahlreichen inneren und äußeren Veränderungen besonders?

Maria Kolek Braun: Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer suchen in Zeiten des Wandels vor allem Klarheit, innere Ruhe und Gelassenheit. Besonders in persönlichen Krisen oder tiefgreifenden Veränderungen tauchen existenzielle Fragen auf: Wer bin ich? Was gibt meinem Leben Sinn und Halt – etwa angesichts einer schweren Diagnose, dem Verlust eines geliebten Menschen oder der Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit? Wo ist mein Platz, was ist meine Aufgabe? Und wie kann ich mich wirksam für Frieden, Gerechtigkeit, den Schutz der Umwelt und eine lebenswerte Zukunft einsetzen?

Die globalen Umbrüche und ihre spürbaren Auswirkungen auf das eigene Leben verunsichern viele. Umso mehr wächst das Bedürfnis nach Orten, die helfen, zur Ruhe zu kommen und inneren Halt zu finden. Meditation und Stille werden gesucht, um Stress und Unruhe zu begegnen – und um wieder tiefer mit sich selbst in Kontakt zu treten.

Die Praxis von Kontemplation und Zen öffnet dabei einen Raum für die entscheidenden Fragen: Was ist wesentlich? Wie erlebe ich die Wirklichkeit? Was hindert mich daran, die Fülle des Lebens zu erfahren? Der Benediktushof bietet dafür einen geschützten Rahmen. Deswegen kommen die Menschen hierher – an einen Ort, an dem sie Antworten finden können, die über den Moment hinaustragen.

Maria Kolek Braun, Kontemplation-Lehrerin „Wolke des NIchtwissens“ und Mitglied der spirituellen Leitung am Benediktushof

 

Das Gespräch führte Kerstin Rudolph, West-Östliche Weisheit Willigis Jäger Stiftung


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